In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 28 - Der Schatten des Grauens -


Der Rattenweg!

Wieder einmal musste Samara diesen düsteren und unheimlichen Katakomben unter Rifton einen Besuch abstatten. Nicht dass sie Angst davor hätte, aber allein der Name ließ sie stets frösteln. So wie Kematu konnte sie diese Nagetiere auch nicht ausstehen, die gerade hier in Himmelsrand ein abscheuliches Abbild ihrer weitaus kleineren Artgenossen waren. Aber ihr Ekel wurde verdrängt von einer persönlichen Angelegenheit, die sie schnell hinter sich bringen wollte. Die Frau hoffte nur, dass Jordis, Serana und Karliah anwesend waren. Sie hatte dank Kematu`s Falken, nach dem Verlassen des Klosters, Serana eine Nachricht geschickt.

 

Das Drachenblut ließ den Markt hinter sich und ging hinab in das Rondell, wo sich auch der Eingang in den Untergrund der Stadt befand. Brynjolf stand angelehnt und gelangweilt unweit des Gittertors. Samara näherte sich ihm.

„Na einen neuen Lieblingsplatz gefunden? Oder ist im Bienenstich nichts los!“ Brynjolf blickte verärgert auf. Er unterstrich dies mit einer abtuenden Handbewegung.

„Ach hör auf! Ich weiß nicht, was ich hier eigentlich noch soll. Ich bin ein Dieb von klein auf, dieses rechtschaffene Leben liegt mir nicht. Ich bereue manchmal, Dich damals auf dem Markt angesprochen zu haben. Das hat doch erst alles ins Rollen gebracht. Ich glaubte, dass ich eine gute Menschenkenntnis besitze. Aber da habe ich mich wohl in Dir sehr getäuscht!“ Brynjolf holte seine Pfeife raus, und mit leicht zittriger Hand zündete er sie an.

„Und wie stehen Deine Freunde Vex, Delvin oder der Rest der ehemaligen Gilde zur neuen Lebensweise?“ Samara wartete gespannt auf seine Antwort.

„Das ist es doch, was ich nicht verstehe. Vor allem Delvin, mit dem ich von Anfang an dabei war, hat sich von Karliah um den Finger wickeln lassen und steht hinter ihr. Na ja er wird wohl langsam alt und sehnt sich nach einem ruhigen Lebensabend. Bei Vex hatte die neue Stellvertreterin keine Schwierigkeiten, sie waren ewig schon Freundinnen. Vex hatte nie geglaubt, dass Karliah tot ist. Irgendwie hatte sie das falsche Spiel von Mercer geahnt, auch wenn sie es nie laut ausgesprochen hatte. Und sie hatte Recht dabei. Und die anderen? Keine Ahnung! Ein Gutes hatte Euer Handeln. Durch Euch und Eure Freundinnen wurde Mercer´s hinterhältiges Tun aufgedeckt! Das brachte mich zum Nachdenken! Pffff Mercer! Ich war so ein Vollidiot!“ Irgendwie tat ihr der ehemalige Stellvertreter der Diebesgilde leid.

„Was wirst Du jetzt tun? Wegziehen und was Neues auf die Beine stellen? Oder entscheidest Du Dich doch für ein Leben für die gute Sache?“

„Ich weiß es nicht. Kommt darauf an!“ Brynjolf war nicht wohl dabei, ob er es ihr sagen sollte, warum er noch blieb. „Ich habe mich in die neue Chefin verliebt! Sie könnte es schaffen mich umzukrempeln. Ich würde Ihr sonst wohin folgen!“

„Jordis? Oh Oh! Da haste Dir etwas vorgenommen. Sie ist ein harter Brocken und schwer zu beeindrucken, aber herzensgut. Aber wenn Du sie wirklich liebst, müsstest Du Dich um 180 Grad drehen. Kannst Du das?“ Samara zweifelte leicht, ob er dies schaffen würde. „Aber wenn Du es schaffen solltest, Jordis für Dich zu gewinnen, erst dann sehe ich, dass Du es auch ernst meinst. Nur ich warne Dich, solltest Du ihr Herz brechen, reiße ich Dir dein eigenes raus!“

„Darauf verzichte ich freiwillig. Habe schon gehört, wie Du mit deinen Gegnern umgehst. Da kann ich nicht mithalten und habe sicherlich keine Lust dazu, Deinen Zorn kennenzulernen.“ Brynjolf`s innerliches Unwohlsein verstärkte sich zunehmend. Er konnte sich bildlich vorstellen, was diese Frau mit ihm machen würde, wenn er ihre Freundin verletzen sollte.

„Sind Jordis, Serana und Karliah da?“ Die Kriegerin wollte das Gespräch beenden, zu wichtig war ihr persönliches Anliegen.

„Ja die sind unten. Was denkst Du denn, warum ich hier rum stehe. Die Vampirin jagt mir stets Unbehagen ein. Auch wenn sie mir bis jetzt nie etwas getan hat. Aber allein schon ihre Anwesenheit und Freundschaft zu Jordis lässt meine Haut einer Gans gleichen. Da lege ich mich lieber mit hundert Skeevern an, als in ihrer Nähe zu sein.“ Brynjolf`s Zittern der Pfeifenhand nahm zu.

„Auf Wiedersehen Brynjolf!“ Noch bevor er den Gruß erwidern konnte, war sie schon durch das Tor verschwunden. Nachdenklich nuckelte er weiter an seiner Pfeife herum.


Als das Drachenblut die Katakomben betrat, beschlich sie wieder dieses unangenehme Gefühl. Die Luft war feucht und stickig. Modriger und verfaulter Geruch verursachte leichten Brechreiz. Aber die unterirdische Taverne, ehemaliger Unterschlupf der Diebesgilde, war nicht weit. Schnell hatte sie den kurzen Weg hinter sich gebracht.

Als Samara die Spelunke betrat, sah sie schon die drei Frauen am Tresen stehen.

Serana bemerkte ihre Freundin als Erste. Freudig gab sie Karliah und Jordis ein Zeichen. Die Begrüßung unter den Frauen war herzlich. Doch die Frauen bemerkten, dass mit ihrer Freundin etwas nicht stimmte.

„Was hast Du? Ist etwas passiert?“ Jordis Frage war voller Sorge.

Kurz und knapp erzählte das Drachenblut die Ereignisse auf dem Weg nach Hoch Hrothgar, die Begegnung mit den Graubärten, auch die Konfrontation mit dem Kultisten aus Solstheim ließ sie nicht aus.

„Ich ahne Schlimmes! Die Ereignisse werden sich bald überstürzen, das spüre ich!“ beendete Samara ihren Bericht. Serana merkte aber, dass das nicht Alles war. Sie fühlte in ihrer Freundin innerliche Unruhe und tiefe Besorgnis.

„Das Schicksal Tamriels lastet nun gezwungenermaßen auf mir. Und diesen Weg werde ich wohl größtenteils allein gehen müssen. Kematu ausgenommen! Ihm kann ich es nach den letzten Geschehnissen nicht mehr ausreden. Habe es auch schon aufgegeben. Seid nie allein unterwegs. Bewacht und beschützt Euch gegenseitig. Alduin wird alles daran setzen, nicht nur mir persönlich zu schaden, sondern auch meinen Freunden. Dessen bin ich mir sicher. Deshalb habe ich um diese Unterredung gebeten. Ich bitte Euch inständig, wenn es hart auf hart kommt, dann Serana, verstecke unsere Mädels und Freunde in der Feste Volkihar, und wenn es sein muss im Seelengrab. Deine Mutter wird Dir dabei bestimmt helfen!“ Die Vampirin schaute Samara mit großen Augen an.

„Warum das denn? Wir dachten Du wirst unsere Hilfe brauchen! Und wir sollen uns dann verstecken, wenn es spannend wird? Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Auch Jordis war von diesem Plan wenig begeistert.

„Ihr seid mir alle sehr an Herz gewachsen. Vor allem seid Ihr noch zu jung, um vielleicht durch mein eventuelles Scheitern zu sterben! Ihr seid dann die neue Hoffnung für Himmelrand, die, falls ich erfolglos bin, den Kampf fortsetzt. Und nur dann. Ich würde ganz Himmelsrand verstecken wollen, nur das ist unmöglich. Deshalb will ich wenigstens die in Sicherheit wähnen, die mir sehr am Herzen liegen! Ich bitte Euch, nein flehe Euch an, tut es für mich und um unserer Freundschaft willen. Der Gegner, dieser Drache ist übermächtig und dem seid Ihr nicht gewachsen, auch wenn Ihr die besten Kriegerinnen seid, die ich kenne! Dass da ein Kult aus Solstheim auch noch mitmischt, macht die Sache schon fast zu einem Zweifrontenkrieg!“

„Dann lasst uns gemeinsam gegen Alduin oder wen auch immer antreten. Habe keinen Bock mich vor einem Gegner zu verstecken und sei er noch zu übermächtig!“ Jordis verschränkte widerspenstig die Arme vor der Brust. Sie zeigte damit offen, das sie damit überhaupt einverstanden war.

„Wenn Du gesehen hättest, was dieser Drache allein mit der Festung Helgen angestellt hat, würdest Du mich vielleicht verstehen. Selbst eine komplette kaiserliche Garnison konnte nichts dagegen ausrichten. Und dieser unheimliche Kult aus Solstheim unter Führung eines „Drachenblutes“ namens Miraak will nicht nur mir ans Leder. Bitte Jordis, ich schätze Deinen Kampfgeist sehr und würde Dich stets an meiner Seite haben wollen. Nur dieser Kampf ist nicht nur mit Willen und Mut zu führen. Noch sehe ich keine andere Möglichkeit, als Euch erst einmal in Sicherheit zu wissen. Wenn ich es schon nicht Kematu ausreden konnte, dann lasst mich wenigsten Euch dazu bewegen, meinem Rat zu folgen!“

Samara gab ihren Worten mit einer flehenden Mimik Ausdruck. Vielleicht ist es gerade dieser Umstand, weshalb ihre Freundinnen zustimmend nicken.

 

„In Ordnung! Wir werden alles veranlassen, wenn es soweit ist. Nur wir glauben an Dich. Du warst schon in vielen schwierigen Situationen und hast sie gemeistert, allein oder mit unserer Hilfe! Warum sollte es jetzt anders sein, vor allem mit Kematu an Deiner Seite!“ Serana blickte lächelnd zu ihrer Freundin.

„Irgendwie hast Du recht, Serana! Mein Freund aus der Heimat ist mit dieser Geschichte auf seltsame Weise verbunden. Dass dieser Mann nicht von meiner Seite weicht, macht dieses Schicksal einfacher zu ertragen und gibt mir Hoffnung auf eine...“

„...neue Liebe? Das habe ich schon gesehen, als ihr beide zum ersten Mal im Versteck wart. Dass er Euch von Herzen liebt war nicht zu übersehen! Und Du hast recht. Nicht nur Willen, Mut und Kampfgeist wirst Du in dieser ungleichen Auseinandersetzung brauchen. Liebe ist das Zauberwort, was bei Euch beiden der Antrieb sein wird, um gegen Alduin zu bestehen. Auch wenn Du Dich immer noch dagegen wehrst, irgendwann erliegst Du Deinem Freund. Diesem Gegner bist Du nicht gewachsen!“ Die ironischen Worte der Vampirin ließen die Frauenrunde in ein Lachen fallen.


„Hey Samara! Weiße Haare stehen Dir sehr gut, aber vielleicht wäre ein anderes Aussehen auch ein neuer Anfang. Wir haben gerade hier Jemanden, die sich „Gesichtsformerin“ nennt. Auch wenn ihr Beiname einen kalten Schauer über einen bringt, ist sie nur eine ausgezeichnete Barbierin!“ Karliah`s Idee wurde von Serana und Jordis freudig begrüßt.

„Jaaa! Ausgezeichnete Idee, da wird Kematu staunen!“ Nur Samara war nicht wohl dabei.

„Warum sollte ich jemanden an meine Haare lassen, den ich nicht einmal kenne? Wieso eigentlich? Was stimmt mit meinen Haaren nicht? “ leicht verwirrt schaute sie in die Runde.

„Ach komm schon Samara! Du hast Dich im Innersten gewandelt. Nun lass es auch jeden anderen sehen. Vor allem Kematu! Eine weitaus wärmere Farbe würde besser zu Dir stehen!“ Die Frau wurde von Jordis und Serana belustigt aus ihrem Stuhl gehoben und zu der „Gesichtsformerin“ geführt.

„Wenn sie mich verunstaltet, versohle ich Euch Eure Hintern!“ Mit flauem Magen ließ sie es über sich ergehen.

...

Während sie nun zu Anise unterwegs waren, konnte Kematu einfach nicht mehr den Blick von ihr lassen. Ein weit auf die Straße ragender Ast hätte ihn fast aus dem Sattel geholt.

„Schau nach vorn und nicht dauernd zu mir! Du machst mich nervös!“ Der Umstand, dass er fast aus dem Sattel gefallen wäre, ließ sie spöttisch auflachen.

„Sehe ich so anders aus?“ fragte sich das Drachenblut selbst. Gut, sie war selbst von der Verwandlung überrascht und musste im Spiegel zweimal hinsehen, ob sie es wirklich war. Die „Gesichtsformerin“ hatte ganze Arbeit geleistet. Das weiße Haar ist der blonden Farbe aus jungen Jahren gewichen. Braune Strähnen gaben ihrem Haar einen lebendigen Ausdruck. Auch ihr Gesicht hatte einen jüngeren Teint bekommen. Fast wie eine Verjüngung. Ihre vierzig von Arbeit, Liebe, Leid und Schmerz geprägten Jahre waren ihr nicht mehr anzusehen.

„Ich mach Dich nervös? Wer hat uns denn so überrascht! Zuerst dachte ich, Du hättest Dich von Serana zu einem Vamp verwandeln lassen! Bei allen Göttern, und da soll man weggucken? Niemals!“ Als Samara am Abend in Mjoll`s Haus kam, hatte er sie erst einmal nicht wiedererkannt. Als ob ihn der Schlag getroffen hätte, konnte er seitdem nicht mehr von ihr ablassen.

„Nun sei nicht so kindisch! Noch bin ich es selbst!“ Etwas verlegen blickte sie um sich und bewunderte die wunderschöne Landschaft des Rift. Dessen Schönheit endlich einmal von der Sonne beleuchtet wurde.

„Himmelsrand ist schon ein schönes Land. Hier könnte ich heimisch werden. Dieses Grün, vermischt mit dem weißen Schnee, Berge, kristallklare Bäche und Flüsse. Wirklich ein Traum. Dagegen ist mein neues Aussehen wie eine Sternschnuppe, welche genauso schnell am Firmament vergeht, wie sie erscheint.“ Die Kriegerin schaute wieder zu Kematu, dessen Augen immer noch an ihr hafteten. Eine leichte Gesichtsröte war alsbald an ihren Wangen zu sehen.

„Nun hör endlich auf mich anzustarren! Also! Wie wirst Du es anstellen, wenn wir bei Deiner Mutter sind!“ Sie versuchte ihn damit auf andere Gedanken zu bringen, die weitaus wichtiger sind.

„Ist schon ein komisches Gefühl. Ich habe tausend Fragen, des Warum und Weshalb. Nur weiß ich, wenn ich dann vor ihr stehe, werde ich diese Fragen wieder vergessen, nicht aussprechen können. Mir fehlt einfach immer noch das Verständnis, warum Anise es mir nicht gleich gesagt hat. Aber ich hoffe, dass ich alsbald Klarheit habe!“ Jetzt lässt er von Samara ab und versinkt in Nachdenken. Sie fühlt, wie es in ihm arbeitet.


Ihr Ritt nach Flusswald war nicht ohne Kämpfe. Ob nun hungrige wilde Tiere, verstreute Banditen, die letzten verbliebenen Anhänger der dunklen Bruderschaft, oder zwei gleichzeitig erschienene Drachen stellten ihre Kampfkunst auf harte Bewährungsproben. Es waren junge Drachen, aber sie bescherten beiden Kriegern blutige Wunden. Wäre da nicht eine kleine kaiserliche Einheit zur Hilfe geeilt, wäre es böse ausgegangen. Zwei Soldaten verloren dabei ihr Leben. Nachdem alle ihre Wunden versorgt hatten, halfen beide Freunde dabei, ihre getöteten Lebensretter zu begraben. Frost musste nun zwei Reiter und deren Last tragen, da Kematu`s Pferd von dem Feuerdrachen regelrecht zu Asche verbrannt worden war. Die Frau trauerte um Divinity.

Als man wieder an Weißlauf vorbei kam, hatte Samaras Freund erneut die Gelegenheit gezwungener Maßen ein neues Pferd zu kaufen. Um Frost Ruhe zu gönnen und auch um sich nach den Strapazen des Ritts auszuruhen, machten sie unweit der Stadtmauern ein Nachtlager. Der Schlaf des Drachenbluts war unruhig und von Alpträumen geplagt.

Schreiend wachte sie auf. Auch Kematu wurde von diesem Aufschrei geweckt und hatte sofort sein Schwert in der Hand.

„Was ist los Samara?“ Kematu stürmte aus dem Zelt und schaute sich in der tiefschwarzen Finsternis der Nacht um.

„Ich weiß es nicht. Hatte wieder einen bösen Traum. Je näher wir Flusswald kommen, desto öfter beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Und dieses Gefühl wächst zunehmend. Ich spüre, dass etwas passieren wird. Wie oder Was sind schattenhafte Bilder, die sich in meinem Traum abzeichneten!“ Samara rieb sich ihre Augen, als ob sie damit die Bilder schärfer machen konnte. Aber sie sind weg.

„Ich hoffe Du hast unrecht und es war nur ein böser Traum. Nur Deine Träume wurden bis jetzt immer wahr. Und wenn Du sagst, da wird etwas passieren, dann glaube ich Dir. Wir sollten auf der Hut sein!“

Das Drachenblut erkannte im Feuer des Lagers, dass sich bei Kematu die Stirn in tiefe Falten legte. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Wortlos warteten sie den Morgen ab.

Als dieser anbrach, packten sie zusammen und ritten mit wachsamen Augen in Richtung Flusswald.

Der Nebel der Nacht lag tief eingeschlossen zwischen den Bergen. Dunkle Wolken ließen der Sonne keine Chance durchzudringen. Das beklemmende Gefühl in Samara wurde stärker, je näher sie dem Dorf kamen. Nachdem man die Pferde wieder bei Faendal gelassen hatte, überquerten sie die seichte Furt nahe dem Dorf.

Der dichte Nebel ließ die Bäume des Waldes, in dem Anises Hütte lag, gespenstisch erscheinen. Sie bewegten sich in der aufkommenden starken Brise. Tiefes weit entferntes Grollen eines Unwetters rundete die unheimliche Atmosphäre ab.

Ein riesiger Schatten, der wie am Berg zu kleben schien, erhob sich in die Lüfte. Er hatte auf das Zusammentreffen mit dem Drachenblut lange warten müssen.

Noch bevor beide Freunde die Umrisse der Hütte im Nebel erkennen konnten, stürzte ein riesiger Schatten zwischen die Blockhütte und die Ankömmlinge. Alduin versperrte dem Drachenblut und ihrem Begleiter den Zugang zur Hütte.

Samaras Schwerter hatten sie nicht gewarnt, dass ein Drache in der Nähe wäre. Aber Alduin war eben kein normaler Drache. Eine Bestie aus einer anderen Welt, nur getrieben davon diese Welt zu zerstören, zeigte trotz des Nebels seine gewaltige Größe. Seine blutroten Augen stachen wie glühende Funken aus seinem riesigen Haupt. Ein Drachenschrei und beide Gefährten wurden in kristallklarem Eis eingefroren, noch bevor sie ihre Waffen ziehen konnten.

In diesem kalten Element gefangen mussten sie tatenlos zusehen, was darauf hin passierte.


Anise, aufgeschreckt durch den tiefen Schrei, kam aus dem Haus gelaufen. Noch bevor sie realisieren konnte, was vor ihrer Hütte geschehen war, wurde sie durch einen gewaltigen Schwanzhieb wieder in ihre Behausung geschleudert. Auch das alte Holz konnte der Urgewalt des Hiebes nichts entgegensetzen. Holzsplitter prasselten bis hin zu den Eisblöcken. Das riesige Maul des Drachens öffnete sich und drehte sich in Richtung der Hütte. Ein Feuersturm wie aus einem ausbrechendenVulkan fegte über die hölzernen Reste und die darin liegende Frau. Das dadurch entfachte Feuer verrichtete sein mörderische Werk. Kematu schrie, aber keiner konnte diesen Schrei voller Sorge, Wut und Traurigkeit hören. Tränen schossen aus seinen Augen. Mit beiden Fäusten versuchte er das Eis zu brechen. Aber er schaffte es nicht.

Auch Samara war entsetzt. Konnte nicht begreifen, was gerade hier geschah. Dass sie mit Ihrer Vorahnung recht hatte, kam ihr wie ein Fluch vor. Diese Bestie wollte sich an ihrem Leid nähren. Er wollte nicht nur sie zerbrechen, auch das was ihr am Herzen lag. Alduin drehte sein Kopf in ihre Richtung und kam langsam auf sie zu. Seine Worte hämmerten wie riesige Glocken in ihrem Kopf.

„Ich könnte Euch beide hier und jetzt zerquetschen wie lästige Insekten. Aber das wäre zu einfach! Ich will dass Du meine Macht erlebst, am eigenen Leib spürst, am Leid anderer zerbrichst! Du bist zwar dem Tod von der Schippe gesprungen, aber mir wirst Du so leicht nicht entkommen. Lerne ruhig, um dann gegen mich anzutreten! Nur wird das Dir nichts nützen! Sag meinem Bruder, dass seine Wahl sein Ende bedeutet!“

Nach den letzten Worten erhob er sich in die Luft. Ein weiterer Schrei befreite beide Gefährten aus dem eisigen Gefängnis. Danach war er verschwunden, noch bevor sie auf die niedergebrannte Hütte zu rannten.

...

Kematu stürzte auf die Knie. Seine Hände vergruben sich in den Boden des Waldes. Er starrte in das Feuer. Tränen liefen über sein Gesicht. Seine Lippen waren gepresst. Er merkte nicht, wie Samara ihre Hand auf seine Schulter legte. Auch sie weinte. Der Schrei aus Kematu`s Kehle wurde wie ein Echo von den Bergen in das Tal getragen.

...

„WARUM! BEI ALLEN GÖTTERN! WARUM HABT IHR DAS ZUGELASSEN! MUTTER!“

 

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